Virtuelle Realität wurde bisher überwiegend als Zukunftsvision wahrgenommen, bei der wir Menschen in einer simulierten Umwelt interagieren. Die Vision zeigte sich darin, dass wir irgendwann virtuelle Gegenstände und Umgebungen mit unseren Sinnen realitätsnah wahrnehmen, sie bewegen, auf sie reagieren und sie in ihrer natürlichen Größe so behandeln können, wie wir es in der Realität tun würden.
Aufgrund vieler technischer Limitationen bei Hardware und Rechenleistung, kamen virtuelle Welten bisher nur in sehr rudimentärer Form bei Computerspielen, auf virtuellen Plattformen wie Second Life oder im Umfeld von 3D-Animationen und 360°-Kamerafahrten zum Einsatz. Ein „echtes“ virtuelles Erlebnis, das dermaßen gut umgesetzt ist, dass wir Menschen uns darin scheinbar wie in der echten Welt bewegen und sie nicht mehr von der Realität unterscheiden können, schien bislang in weiter Ferne. Doch die Technologien haben sich weiterentwickelt. Und nun stehen wir in 2014 kurz vor dem kommerziellen Durchbruch von Virtual-Reality-Anwendungen, die „wie echt“ wirken – in allem, was wir sehen, fühlen und tun.
Virtual Reality Chronik
Betrachten wir die Entwicklung von Virtual Reality chronologisch, finden sich erste, erwähnungswürdige Fundstellen überwiegend in der jüngeren Vergangenheit.
- 300 v. Chr. Platons Höhlengleichnis „Republik“ beschreibt das Verhältnis von Wahrnehmung und Erkenntnis sowie Realität und Illusion
- 1857 Als phantastische Figur mit dem Sinngehalt „Rollentausch“ erfindet Theophile Gautier den „Avatar“ in seiner gleichnamigen Erzählung und wirft darin die Frage nach der eigenen Identität auf.
- 1964 Stanislaw Lem beschreibt in seiner Summa Technologia die möglichen Auswirkungen und Funktionen einer quasi perfekten Realitätssimulation. Dieser gibt er den Namen Phantomatik. Lem sieht in der Phantomatik das endgültige Ziel, das die unterschiedlichen Unterhaltungstechniken wie Radio, Fernsehen und Kino anstreben. Lem beschreibt zudem die Probleme, die sich aus der virtuellen Realität ergeben könnten, angefangen vom Wirklichkeitsverlust, über Orientierungsfragen bis hin zu den Fragen der eigentlichen Anwendungsgebiete
- 1966 Ivan Sutherland experimentiert am MIT mit dem Prototyp eines Head-Mounted-Displays (HDM) und einem Datenhandschuh
- 1982 Virtual Reality wird erstmals vom Autor Damien Broderick erwähnt
- 1987 Virtual Reality wird erstmalig im Oxford English Dictionary beschrieben
- 1989 Der Wissenschaftler, Informatiker und Zukunftsforscher Jaron Lanier prägt den Begriff Virtual Reality als computergenerierte Umgebung, die die verschiedene Sinne eines Nutzers stimuliert und Interaktionen erlaubt, wenn möglich in Echtzeit. Lanier führte von 1984 bis 1990 mit VPL Research ein Unternehmen zur Entwicklung und Vermarktung von Hardware für Virtual Reality und Anwendungen für Virtual Reality. Das Pionierunternehmen von Virtual-Reality-Technologie und Network-3D-Graphics wurde 1985 von der NASA beauftragt, einen Datenhandschuh für Astronauten zu entwickeln. Der erste kommerzielle Datenhandschuh für Virtual Reality wurde 1986 vorgestellt und kostete 9.000 $.
- 1992 CAVE wird am Electronic Visualization Laboratory der University of Illinois at Chicago vorgestellt als Raum mit einer virtuell projizierten Umwelt: ein Virtual Reality Visualisierungssystem mit bis zu sechs festen, senkrecht zueinander stehenden Projektionsebenen.
- 1992 Im gleichen Jahr veröffentlicht der Autor Neal Stephenson „Snow Crash“: Im Buch wird eine zweite, virtuelle Welt von Hundertschaften von Programmierern geschaffen, das Metaversum. Hier läuft jeder Besucher mit einem eigenen Avatar herum, den er sich selbst aussuchen kann
- 1995 Der Videospiele-Hersteller Nintendo bringt den „Virtua Boy“ auf den Markt. Allerdings konnte das Gerät kaum überzeugen. Zu gering war die Leistung und zu schlecht die Grafik, um auch nur annähernd immersiv zu wirken. Die kleinen, niedrig auflösenden Displays waren ausschließlich mit roten LEDs ausgestattet. Diese verursachten schon nach wenigen Minuten Augen- und Kopfschmerzen
- 2000 Microvisione entwickelt für die US-Airforce ein Virtual Reality Head-Mounted-Display (HDM) mit einer Auflösung von 1920×1080px
- 2002 Die 3D-Welt-Simulation Second Life geht als Beta-Version online
- 2008 Omnidirektionale Laufbänder verfeinern die Erfahrungen mit virtueller Realität
- 2009 Fraunhofer Institut IPMS stellt eine interaktive Datenbrille vor, die durch Augenbewegungen gesteuert wird
- 2009 Im gleichen Jahr wird das Nachfolgemodell des CAVE, DEEP SPACE im Ars Electronica Center in Linz eingeweiht – als eines von ganz wenigen VR-Systemen, das Künstlern für ihre Arbeiten zur Verfügung steht
- 2013 Oculus Rift sammelt 18 Millionen Dollar über Kickstarter-Kampagne und weiteres Funding ein, entwickelt die erste richtige Virtual-Reality-Brille und vermarktet diese als Developer-Kit für 300 $ in der Entwicklerszene. In einer zweiten Finanzierungsrunde erhält das Oculus-Rift-Team weiteres Entwicklungskapital von 75 M $, um das überlegene Head-Mountain-Display weiterzuentwickeln
- 2013 Headtrip wird als erste deutsche Agentur für Virtual-Reality-Produktionen und -Awendungen gegründet
Mehr als nur ein Trend: Mit der Oculus Rift wird erstmals eine atemberaubende, sinnlich erfahrbare Immersion möglich
Um ein echtes, wahrhaftiges Gefühl der Immersion herzustellen, werden zur realistischen Darstellung virtueller Erlebnisse spezielle Ausgabegeräte benötigt. Dabei wird ein Bewusstseinszustand erzeugt, bei dem sich die Wahrnehmung der eigenen Person in der realen Welt vermindert und eine stärkere Identifikation mit dem virtuellen „Ich“ stattfindet.
Erste realitätsnahe Erfahrungen sind erstmals seit der Einführung der Virtual-Reality-Brille „Oculus Rift“ in der Beta-Version Anfang 2013 möglich. Die Brille erzeugt einen täuschend echt simulierten Zugang in die virtuelle Welt und eine bisher nie da gewesene sinnliche Erfahrbarkeit und dynamische Wahrnehmung von virtuellen Erlebnissen. Da keine Verzögerung die Illusion stört, akzeptiert unser Gehirn die virtuelle Realität als echt. Dazu füllt die Brille das gesamte Sichtfeld aus. Bildränder sind so gut wie nicht mehr wahrnehmbar. Man hat das Gefühl mitten im Raum zu stehen und egal wo man hinschaut, bewegen sich die virtuell erzeugten Bilder mit. Drehen wir unseren Kopf oder schauen wir nach unten oder oben, bewegt sich unser Sichtfeld in Echtzeit mit – wie im realen Leben.
Das neue virtuell getriggerte Gefühl lässt sich nur sehr schwer beschreiben. Unsere Vorstellungskraft reicht dazu kaum aus. Fast alle Versuche den Bewusstseinszustand der Immersion zu beschreiben, wirken häufig zu abstrakt. Erst wenn man die Brille selbst getestet hat, findet man heraus, worum es tatsächlich geht.
Virtual Reality mit Oculus Rift Developer Kit in 2013 (Quelle: winfuture.de)
Das große Display bietet ein diagonales Sichtfeld von 110 Grad und ein horizontales von 90 Grad. Die Kombination von performant arbeitenden Beschleunigungssensoren und 3-Achsen-Gyrometer stellt bei der Oculus Rift eine schnelle Reaktion auf Kopfbewegungen sicher. Die Sensoren arbeiten derzeit bereits mit einer Abtastfrequenz von 100 Hz um ein Vielfaches schneller als diejenigen Sensoren, die bisher in HMD oder beispielsweise in Smartphones eingesetzt werden. Die dadurch verringerte Latenzzeit zwischen echter und virtueller Kopfbewegung und Bilddarstellung erzeugt das atemberaubende Gefühl der Immersion, bei der sich die visuelle, akustische (und zukünftig auch haptische) Wahrnehmung dynamisch verändert. Dies geschieht abhängig davon, wo wir gerade stehen, wie wir uns räumlich bewegen und wie sich die simulierte Umwelt relativ zu uns verändert.
Zwar erinnert die derzeit grobkörnige Grafik des Developer-Kits noch an einen technischen Prototypen. Doch ist davon auszugehen, dass Nachfolgegenerationen der Oculus Rift oder Me-Too-Produkte konkurrierender Anbieter bereits mit HD- oder 4K-Qualität brillieren werden. An weiteren technische Hürden, die einer anwendungsfreundlichen Version bisher im Wege standen, wie Unwohlsein, Schwindel, Übelkeit, arbeiten die Entwickler momentan mit Hochdruck. Glauben wir aktuellen Pressemeldungen, gehören diese Hürden zwischenzeitlich der Vergangenheit an.
Die Konkurrenz von Oculus Rift und weitere Anbieter im Bereich Virtual Reality
Was die Marktreife angeht, ist Sony mit seinem momentan in der Entwicklung befindlichen Sony Virtual Reality Headset offenbar noch nicht so weit wie Oculus. Indirekt bestätigt hat Sony, dass die Entwicklung eines eigenen Headsets derzeit im vollen Gange ist. Ein weiterer Oculus-Konkurrent stellt das Virtual Reality Avegant Glyph dar, das technisch gesehen auf einem anderen Verfahren beruht. Hier schicken kleine Pico-Projektoren als Spiegelsystem konstruiert, Bilder in HD-Auflösung direkt auf die Netzhaut von Anwendern. Das Design zeigt sich als recht kompakt. Gleichzeitig bietet die Brille auch Kopfhörer. Als Preis für seine Glyph zielt Avegant voraussichtlich 499 $ an. Marktstart soll Herbst 2014 sein. Analog zur Oculus Rift wurde auch hier eine Kickstarter-Kampagne gestartet.
Virtual Reality mit Cyberith Threadmill 2013 (Quelle: www.cyberith.com)
2013 stellten Studenten der Technischen Universität in Wien die Cyberith Treadmill vor. Mit dem an ein Heim-Fitnessgerät anmutenden Ringsystem, werden Bewegungen mittels einer integrierten Sensorik erfasst und stufenlos verarbeitet. So wird es für Anwender, die sich im Ring befinden möglich, sich frei im virtuellen Raum mit stufenloser Geschwindigkeit zu bewegen: das vorwärts oder rückwärts Gehen, Laufen, Ducken, Springen und sogar Sitzen wird virtuell simuliert. Neben der Cyberith Treadmill gibt es weitere Anbieter: Jüngst hat die NASA die Oculus Rift mit der Laufplattform Virtuix Omni gekoppelt, um auf dem Mars virtuell spazieren zu gehen. Ein anderes Video zeigt Omni als Applikation für den Gaming-Einsatz oder für das Jogging in virtuellen Landschaften: bei Bedarf jeden Tag in einer anderen Umgebung.
Unbegrenzte Einsatzfelder wecken Begehrlichkeiten
Virtual Reality wird uns unser zukünftiges Leben deutlich prägen. Einer der Hauptinvestoren bei Oculus, Marc Andreessen, ist davon überzeugt, dass die neue Technologie nicht nur die Gaming-Landschaft verändert, sondern darüber hinaus fundamentale menschliche Erfahrungen in Bereichen wie Film, Bildung, Architektur und Design grundlegend beeinflussen wird. Die bisherige Nachfrage nach dem Developer Kit spricht jedenfalls für sich: bis Ende 2013 wurden innerhalb weniger Monate über 50.000 Stück verkauft. Bei Virtual-Reality-Anwendungen sind bezüglich der Einsatzgebiete unzählige Freiheitsgrade denkbar. So werden neue Anwendungen kommen, um Dinge zu erleben, welche in unserer Realität bisher unmöglich oder nur schwer umsetzbar waren: virtuelles Heimkino, virtuelle Sport-Veranstaltungen oder Konzerte, virtuelle Reisen oder Museumsbesuche – fast alles, was in der Realität beeindruckt, lässt sich in die virtuelle Realität übertragen. Auch Orte, an die wir derzeit noch nicht reisen können, lassen sich virtuell konstruieren und besuchen: wie zum Beispiel ein Ausflug auf den Mond oder zum Marianengraben mit seiner tiefsten Stelle von 11.000 Metern auf den Meeresgrund.
Weitere Einsatzfelder werden im Bereich der Medizin entwickelt. Mit Hilfe der Oculus Rift und Anwendungen im Bereich Virtual Reality können traumatisierte Patienten behandelt werden, die auf diese Weise direkt mit ihren Ängsten oder einer Simulation des traumatisierenden Ereignisses konfrontiert werden. Mittels VR-Brillen sollen sich zukünftig aus 3D-Tiefensehschwächen heilen lassen. Während Gaming-Fans bereits davon träumen, mit ihrem Head-Mounted-Display über die berühmtesten Rennstrecken der Welt zu rasen, setzt der Autobauer Ford die Oculus Rift bereits beim Autobau ein. Lange bevor die Fahrzeuge in die Produktion gehen, können Ford-Designer ihre Entwürfe in der virtuellen Umgebung von außen und innen begutachten und erhalten so inspirative Impulse zur Verbesserung Ihrer Entwicklungen. Recht ähnlich könnten Architekten gemeinsam mit ihren Bauherren Objekte begehen, noch bevor auch nur eine Baggerschaufel ausgehoben wurde. Möbel-Giganten wie IKEA könnten Ihren Kunden neue Angebote (Virtual Reality Showrooms) unterbreiten, um ihre Wohnung bereits vor dem Möbelkauf einzurichten. Schon bald werden Literatur- oder Kunst-Interessierte mit entsprechendem VR-Equipment eine Ausstellung im Pariser Louvre oder in Bibliotheken wie Library of Congress oder sogar den Kölner Dom besuchen können – ohne selbst vor Ort zu sein.
Der britische Netzbetreiber O2 und das Englische Rugby-Team haben das erste 360°-Sporterlebnis produziert. Dank der Virtual-Reality-Brille sollen sich künftig auch Fans ganz ohne Verletzungsrisiko unter ihre trainierenden Ikonen mischen können. Einen Ausschnitt diesbezüglich zeigt das nachfolgende Werbevideo, bei dem insgesamt neun GoPro Hero 3-Kameras zum Einsatz kamen.
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