Tragbare, vernetzte miniaturisierte Multifunktions-Computer – eingearbeitet in Brillen, Uhren, Armbänder, Halsketten oder Kleidung – definieren unseren Umgang mit mobilen Endgeräten neu und werden zu alltäglichen Begleitern. Sie messen unsere Aktivitäten, unser Verhalten, bieten uns kontextsensitive Zusatzinformationen und Optimierungsvorschläge rund um unser Leben an und eröffnen Unternehmen in den kommenden Jahren einen sich vergrößernden Nährboden für neue Generationen von Wearable Enabled Services.
Sie zählen unsere Schritte, analysieren unsere Schlafphasen, helfen uns beim Abnehmen und messen unsere Vitalfunktionen: die kleine, stillen, zuverlässigen, tragbaren Helferlein. Tagsüber messen Sport- und Aktivitätsarmbänder Muskelmasse und Fettwerte, zeigen an, in welcher Intensität wir gerade trainieren und werten unsere Bewegungsmuster aus: wohlwissend ob wir gerade gehen, laufen, schwimmen, Rad fahren oder Yoga-Übungen ausführen. Nachts geben sie Auskunft darüber, wie unsere Tief-, Leicht- und REM-Schlafphasen ausfallen, wie häufig wir aufwachen und wie effizient der Schlaf war. Zudem überwachen sie die Körperhaltung und tragen so zu einer aufrechteren Haltung und einer positiveren Ausstrahlung bei. Neben den Activity-Trackern messen schnurlose Kopfhörer Puls, Körpertemperatur und Blutsauerstoff. Smarte Uhren messen die Sonneneinstrahlung auf der Haut oder den Blutzucker. An Golfhandschuhen befestigte Golfbänder messen Entfernungen per GPS auf dem Green. Musikhandschuhe machen den ganzen Körper zu einem Instrument. Schwimmbänder schützen Kleinkinder vor dem Ertrinken. Wenn das Kind nicht in der Schule ankommt, erfahren es seine Eltern via SMS. Mittels Ring lassen sich Nachrichten in die Luft schreiben und anschließend verschicken. Hinter das Ohr klemmbare Kameras ermöglichen es, das gesamte Leben im Videoformat aufzuzeichnen. BHs messen die Stressfrequenz und helfen durch das Bewusstmachen von Stress, emotional motiviertes Essen zu reduzieren. Socken werten mit innenliegenden Sensoren den eigenen Laufstil in Echtzeit aus. In Shorts und Shirts integrierte Sensoren messen Puls, Atmung und Muskelspannung direkt über der Haut.
Alle Beispiele haben eines gemeinsam: sie beschreiben Wearables. Das sind tragbare Computersysteme, die während der Anwendung am Körper der Benutzer befestigt sind. Die meisten der heutigen Arm-, Kopf- oder Beinbänder, Ringe, Broschen, Halsketten oder Textilien sind mittlerweile kabellos und kommunizieren mit dazugehörigen Apps, die erfasste Daten aufbereiten und in übersichtlichen, einfachen Grafiken darstellen. Die Daten der tragbaren Endgeräte öffnen Tor und Tür für eine Vielzahl von Sicherheits-, Komfort- und Gesundheitsfunktionen. Neben den steigenden Funktionen spielt auch Ästhetik eine immer größere Rolle. So positionieren sich Wearables sichtbar zunehmend als modische Gadgets und punkten mit hochwertigen Materialien und schicker Optik.
Mit Blick auf die kommenden Jahre bilden die in Kleidung eingearbeiteten Wearables bereits den nächsten Schritt in der Vernetzung des Menschen mit dem Internet ab. Denn Wearables werden immer smarter: Pflaster, die Vitaldaten ihrer Träger überwachen und Medikamente bei Bedarf freisetzen können oder smarte Kontaktlinsen, die Blutzucker-Werte messen und bei Schwankungen warnen stellen zukünftige Entwicklungsstufen dar. Glaubt man dem Astrophysiker Michio Kaku, werden wir sogar um das Jahr 2020 Kontaktlinsen tragen können, die uns Zugang zum ubiquitären Internet verschaffen. Wearables leiten einen neuen Technologiezyklus ein, der dazu beitragen wird, unseren Umgang mit mobilen Geräten neu zu definieren. Die tragbaren Mini-Multifunktionscomputer dringen in immer mehr Lebensbereiche ein. Eine kollektive Neuvermessung und Optimierung menschlichen Verhaltens macht sich breit. Unsere Welt strebt nach dem quantifizierbaren Ich und fokussiert sich zunehmend auf eine selbstoptimierende, gesundheitsfördernde, sichere und bequeme Lebensweise.
Wie alles begann
Inspiriert von Stanley Kubricks Meisterwerk „2001: A Space Odyssey“ waren es Pulsar und Hamilton, die mit der P1 die erste digitale LED-Uhr 1972 auf den Markt brachten. 3.950 Dollar kostete das Prestige-Objekt zur Markteinführung damals und damit in etwa so viel wie ein Auto.

Quelle: crazywatches.pl
Drei Jahre später wurde die erste Taschenrechner-Uhr von HP und Hamilton auf dem Markt gebracht. Anfang der 90er Jahre stellten Casio, Nike und Recon die ersten – damals noch nicht vernetzten – Multifunktionsuhren vor. Erst zehn Jahre Später kurz nach der Jahrtausendwende erblickten die ersten Multifunktionsarmbänder, die sich gelegentlich auch mit dem Internet verbinden ließen, das Licht der Welt. Als Fitbit seine Classic Ende 2008 vorstellte, war die Konkurrenz noch nicht in unmittelbarer Sichtweite. Erst zur Jahreswende 2011 rückten die Activity-Tracker-Konkurrenten Jawbone Up und Nike FuelBand auf. Seitdem brach der Bann: von da an erschienen Nachfolgegenerationen im Quartalstakt und neue Einstiegsmodelle von weiteren Hersteller machten die tragbaren Internetzugänge in den Medien zum Trendthema.
Wearables auf dem Sprung zum Massenmarkt
Wearables folgen den großen Trends der Datenspeicherung und Auswertung, des Healthstyles und der generellen Digitalisierung und Technisierung alltäglicher Interaktionen. Für ihre Träger schaffen Sie Freiräume, indem sie mitdenken und mit ihnen interagieren. Durch überzeugende Einsatzszenarien, Batterielaufzeiten, Design-Varianten und sinkende Preise erweisen sich Wearables als immer kompatibler für den globalen Massenmarkt. Für den Online-Handelsriesen Amazon Grund genug, dem stark wachsenden Segment einen eigenen Wearable-Store in Europa zu widmen: im Angebot sind bereits mehrere Hundert unterschiedliche Produkte gelistet. Darüber hinaus greifen neue Marktherausforderer die etablierten Platzhirsche mit Niedrigpreisen an – das wohl derzeit kostengünstigste multi-funktionale Fitnessarmband MiBand von Xiaomi kostet gerade mal 13 Dollar und besitzt neben einem Fitness-Monitor, Schlaf-Tracker und integrierten Wecker eine Akkulaufzeit von bis zu 30 Tagen.
Für ein weltumspannendes Netzwerk aus Millionen Nutzern, Software-Entwicklern und Hardware-Anbietern teilen sich zurzeit Konzerngrößen wie Apple, Nike, Sony, GoPro oder Garnim den Markt mit Tausenden von Start-Ups wie Withings, Misfit, Basis, Narrative oder Bionym auf. Mit Spannung werden die noch für 2014 geplanten Smartwatches von Google (GEM), Apple (iWatch) und Microsoft erwartet, die nach ihrer Markteinführung mit großer Wahrscheinlichkeit einen weiteren Nachfrageschub nach tragbaren Endgeräten auslösen dürften.
Herstellerunabhängige Plattformen für Wearables
Das zentrale Stichwort zur konsequenten Zusammenführung der Daten von verschiedenen Nutzern, Wearables und Apps lautet „Plattform.“ So weiß die Diät-App künftig automatisch, wenn ihr Besitzer deutlich mehr Sport gemacht hat als sonst, und erlaubt ihm ein zweites Stück Kuchen. Oder das Handy bringt die geringe Konzentrationsfähigkeit im Meeting mit dem schlechten Schlaf in Verbindung und empfiehlt unverzüglich eine Tasse Kaffee oder Tee zu trinken.
Immer mehr Unternehmen haben die Vorzüge erkannt, E-Accessoires standardmäßig untereinander und über Plattformen zu vernetzen. Mitte 2014 stellte Samsung seine Cloud-Plattform für Entwickler von Sensoren, Apps und Geräten zur Selbstvermessung vor. Die Plattform SAMI ist offen und soll somit auch von anderen Firmen genutzt werden können. Mit der Plattform sammelt und analysiert Samsung Gesundheitsdaten von Smartphone-Apps, Wearables und anderen Sensoren unterschiedlicher Hersteller. Damit ermöglichen sie nicht nur die Datenverarbeitung auf eigenen Geräten, sondern auch in der Cloud. Google hat mit seiner Lösung Google Fit Ähnliches vorgestellt, Apples Angebot heißt Health: Die Plattform bündelt Daten, bereitet diese für Smartphone-Besitzer auf, zeigt sie übersichtlich an und ermöglicht es ihren Nutzern, ein zusammenhängendes Profil ihrer Aktivitäten und ihrer Gesundheit zu erstellen.
Steigende Marktvolumina für mindestens 8 Anwendungsfelder
Die tragbaren Mini-Computer lassen sich mindestens in acht Kategorien und Anwendungsfelder unterscheiden: smarte Uhren, tragbare 3D-Bewegungstracker, Erfassungsgeräte im Sport- und Aktivitätsbereich, Erfassungsgeräte in der Medizintechnik, Datenbrillen inklusive Virtual-Reality-Brillen, intelligente Kleidung, tragbare Kameras und Sicherheit. Bereits bis Ende 2014 sollen sich Juniper Research zufolge fast 100 Millionen Geräte verkaufen. Bis Ende 2018 soll der Absatz auf rund 500 Millionen verkaufte Einheiten steigen.

Quelle: ABI Reasearch 2014: Global Wearable Computing Device
Das Marktforschungsunternehmen schätzt das Marktvolumen von Wearables damit auf 19 Mrd US-Dollar im Jahr 2019. Zum Vergleich: in 2013 waren es noch 1,4 Mrd. Die Analysten von MarketsandMarkets schätzen, dass der Markt bis 2018 einen Wert von 8,3 Mrd. Dollar erreichen wird – das gesamte „Wearable Technology Ecosystem“ soll auf 14 Mrd. Dollar anwachsen. Daneben beziffert das US-Marktforschungsunternehmen IHS das weltweite Marktvolumen auf bis zu 60 Mrd. US-Dollar im Jahr 2018. Was den Datenaustausch mit Smartphones betrifft, prognostiziert Gartner, dass Wearables im Jahr 2017 für bis zu 50% der gesamten App-Interaktionen von Smartphones sorgen könnten.

Quelle: BI Intelligence 2014: Global Wearable Devices Unit Shipments
Ausblick
Nach Gartner werden sich perspektivisch günstige, auf Multi-Funktionen bedachte Wearables durchsetzen. So wird die Entwicklung zugunsten von einfachen Geräten voranschreiten, welche die Gestaltung der Benutzeroberfläche sowie die Datenverarbeitung überwiegend mobilen Plattformen überlassen. Entscheidend wird dabei sein, dass sich die Daten nach ihrer Erfassung leicht an spezielle Applikationen weiterleiten und auswerten lassen. Liegt Gartner mit seiner Prognose richtig, werden Unternehmen zukünftig stärker auf die Entwicklung von Software und Applikationen und damit auf Wearable Enabled Services setzen.
Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis sich Wearable Technologies auch in Kundenprozessen und Service-Bereichen durchsetzen werden, da sich die Wertschöpfung in Kunden-Services unaufhaltsam in die digitale Welt verlagert und die bestehende Systeme fundamental transformiert. Mit den in Echtzeit zur Verfügung gestellten Daten werden Wearable Enabled Services über individuelle Nutzer- und Kundenprofile und umfassende Zusatzinformationen aus dem Web zu einer deutlichen Verbesserung von individuellen Kundenerfahrungen beitragen. So werden zukünftig diejenigen Unternehmen profitieren, die sich mit den neu entstehenden technologischen Rahmenbedingungen und Spielregeln frühzeitig vertraut machen – denn die heute verfügbaren Wearables sind nur erste Vorboten der noch zu erwartenden digitalen Disruptionen, durch die immer selbstverständlicher werdende Allgegenwart des Internetzugangs und den Anstieg von globaler Vernetzungsdichte und Miniaturisierung.


Leave a Reply